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AutorenbildMarco Galliker

Dünne Luft und anspruchsvolle Navigation auf Rally-Pisten

Wir verabschieden uns vom heimeligen Masaya und gehen zurück zum Flughafen, um unser Mietauto abzuholen. Diesmal steht für uns ein waschechter Chevy bereit und wir erhalten somit ein richtig amerikanisches Kraftpaket (mit 1,2l Motor und Made in Asia 😄). Da ein Mietauto in Ecuador im Vergleich zu allem anderen teuer ist, haben wir uns für eine eher einfache Variante entschieden.


Damit düsen wir auf der Panamericana raus aus Quito und mitten rein in immer höher werdenden Anden bis zu einem kleinen Städtchen namens Machachi, da hat unsere Master-Bucherin nämlich ein weiteres Goldstück gefunden. Übrigens, besonders spannend ist es die Meisterin bei der Arbeit zu sehen, hier etwa in effizienter Arbeitsposition.



Kurz vor Ankunft in Machachi durchströmt ein beissender, undefinierbarer Geruch unser Auto (und es war keiner von uns Zweien 😝). Neben den ersten eher weniger reizenden Gebäuden machen uns auch die hohen Mauern mit verriegelten Toren und Türen um unser Hotel etwas stutzig. Während Marco bereits nach Alternativen sucht, macht Stephie die Herrin des Hauses ausfindig und uns öffnet ein herzensgutes Mamsali das Tor, welches einen sehr gepflegten Innenhof und ein neueres Haus mit einem Hauch von Schweizer Chalet frei gibt. Wir fühlen uns im Hotel Casa Sakiwa sofort wohl, sind jedoch etwas geplagt von der nachmittäglichen Müdigkeit aufgrund der Höhenlage. Doch auch hierfür hat die Eigentümerin ein Mittelchen und wir kosten unseren ersten Coca-Tee, während wir von ihrer englischsprechenden Tochter wertvolle Tipps zum Erkunden der Umgebung erhalten. Denn unser Vorhaben hat es in sich, wir möchten morgen auf fast 5'000m hoch wandern und haben Verschiedenes darüber gelesen. Einige berichten sogar, dass es die härteste Wanderung seit Beginn ihrer fünfjährigen Weltreise gewesen sein soll, und deswegen machen wir uns am Sonntag mit etwas Respekt auf zu diesem Ausflug zum zweitgrössten Vulkan Ecuadors: Dem Cotopaxi.


Cotopaxi Nationalpark


Wir starten am südlichen Eingang des Cotopaxi Nationalparks und einigen uns kurz vor der Registrierung darauf, die Wanderung ohne Guide zu machen. Leider haben sie es sich etwas verspielt, als sie uns direkt nach dem Parkieren ein wenig anflunkern und meinen, dass wir ohne zertifizierten Führer nicht in den Park dürfen und wir es mit unserem Kraftpaket eh nicht zum Parkplatz schaffen werden. Okay, mit unserem Auto fahren wir vielleicht auf Risiko, doch einen Guide braucht es nicht und der Eintritt in den Park ist sogar kostenlos.


Die Wolken hangen tief, als wir auf der perfekt asphaltierten Strasse starten. Schon nach wenigen hundert Metern verschwindet der Belag und es wird zunehmend holpriger auf der Schotterpiste. Auf einer Hochebene erhaschen wir zwischen den Wolken einen ersten majestätischen Blick auf den Cotopaxi.



Die Landschaft wirkt utopisch und surreal, es ist unglaublich welch interessante Struktur und Flora der Cotopaxi mit seinen Ausbrüchen geschaffen hat. Trotz der festhängenden Wolkendecke (oder gerade deswegen) müssen wir immer wieder anhalten, um Fotos zu machen und entdecken sogar natürliche Bewohner der Hochebene; wilde Pferde.


Kurz vor dem Parkplatz wird die Strasse zunehmend schwieriger zu befahren und unser Chevy kämpft sich durch die steilen Steigungen. Wegen der dünnen Luft auf 4'000m klingt der kleine 1.2l-Motor langsam sehr ungesund und es ist unmöglich, über den ersten Gang hinaus zu schalten.



Die letzten Meter sind gut hörbar eine Qual für jede mechanische Komponente des armen Autos, doch entgegen der Einschätzung der Guides schaffen wir es auf den Parkplatz du den grossen Jeeps 😎 Da starten wir den Aufstieg zum Cotopaxi Refugio, welches nur 250 Höhenmeter über uns thront. Wir können zwar die dünne Luft sehr gut wahrnehmen und gehen den Weg langsam an, doch die Wanderung ist bei weitem nicht so schlimm wie angenommen! Wir kommen ohne Probleme und grosse körperliche Anstrengung auf 4864m.ü.M. an und sind fast ein wenig enttäuscht, dass unsere mentale Vorbereitung gar nicht nötig gewesen wäre und es sich nicht wirklich nach einer gemeisterten Challenge anfühlt. Das Verlangen nach mehr macht sich breit, doch dafür fehlt uns die professionelle Ausrüstung.



Das macht jedoch die Natur nicht minder eindrucksvoll, wir gönnen uns einen leckeren Coca-Tee im Refugio, tauschen mit einem Schweizer Paar einige Reisetipps aus und geniessen die Stimmung vor der Hütte. Auf dem Abstieg fängt es an zu Schneien und wir sind froh über unsere neuen Jacken, Kappen und Handschuhe.



Nicht nur uns fällt der Abstieg einfacher als der Aufstieg, auch unserem Auto geht es so. Das Wetter wechselt inzwischen im Minutentakt von Schneesturm auf leichten Regen und wieder zu Sonnenschein. Während der Fahrt halten wir kurz an, denn der Cotopaxi zeigt sich uns nahezu in seiner ganzen Pracht und wir haben ein weiteres Mal das Glück auf unserer Seite. Wir können kaum aussteigen, da bläst eine Böe die letzten Wolken für den Bruchteil einer Minute vom Vulkan weg und wir sehen den massiven Berg kurz in seiner vollen Pracht!



Kurz nach Abknipsen verschwindet er für den Rest des Tages wieder in den Wolken. Wir nehmen Kurs auf das nördliche Portal und möchten noch einen Stopp am Fusse des Ruminahui, dem Nachbarsvulkan des Cotopaxi, einlegen. Daraus wird leider nichts, weil uns eine riesengrosse Pfütze den Weg versperrt und wir der amerikanischen Power unseres Autos nicht ganz trauen, doch dieser Ort hat seinen eigenen Reiz und wir geniessen einen Moment der totalen Abgeschiedenheit.



Zeitgleich mit einem heftigen Himmelbruch tauchen kurz nach dem Parkausgang ein Mann und eine ältere Frau vor uns auf, die gemeinsam versuchen, ihr liegengebliebenes Auto anzuschieben (auch ein Chevy, wie vertrauenswürdig 😅). Da können wir nicht einfach vorbeifahren und Marco steigt aus, um beim Stossen zu helfen. Nun hat er seine Challenge und kommt dabei echt an seine Grenzen! Ein Auto volle Pulle einige Meter weit zu schieben ist in dieser Höhenlage echt eine Leistung, jedoch ohne Erfolg. Die Mama darf im Truck warten während der Mann beim Parkeingang nicht nur Hilfe, sondern gleich auch noch ein warmes Essen bekommt.


Unser Heimweg wird nicht einfacher, wir fahren anstatt durch die Flüsse wie in Costa Rica quasi in den Bächen, welche sich durch die krassen Regenfälle in der hügeligen Landschaft auf den Strassen bilden. Etwas später kommen wir auf eine Art Kopfsteinpflaster-Strasse wie es sie zu römischen Zeiten bereits gab, nur waren die Römer wohl damals schon besser im Strassenbau denn das Beet ist bereits sehr ausgewaschen und übersäht von Schlaglöchern.



Als wir nach der zweistündigen Fahrt erschöpft in Machachi ankommen, finden wir per Zufall ein echt schönes Café und schliessen den Ausflug bei einem Cappuccino und einer Nutella-Waffel mit Erdbeeren ab. Inzwischen scheint wieder die Sonne und spätestens bei der Abendstimmung merken wir, dass wir inzwischen auch Machachi mit seinen authentischen Eigenheiten ins Herz geschlossen haben.



Quilotoa


Auf unserer heutigen Wegetappe biegen wir nach einem Stück auf der Panamericana erneut in die Tiefen der Anden ab. Da in Ecuador viele POIs noch nicht auf Google Maps erfasst sind, tanken wir als erstes und sind erstaunt, dass wir nur Bar zahlen können. Wir stellen fest, dass es auch in unserer Unterkunft für die nächste Nacht nicht anders geht, und wir machen uns auf die Suche nach einem Geldautomaten. Dabei müssen wir feststellen, dass es gar nicht so einfach ist! Im Ersten steckt eine Karte fest und eine ganze Familie wartet auf einen Techniker, der sie wieder befreit. Der zweite ist scheinbar defekt, also versuchen wir es in der Bank daneben. Aber auch hier können wir weder mit der Kreditkarte noch mit der Schweizer Debitkarte Bargeld beziehen, also fragen wir den bewaffneten Sicherheitsbeamten nach dem nächsten. Stolz, dass wir uns drinnen wie draussen auf Spanisch durchgeschlagen haben, machen wir uns auf den Weg zum dritten Automaten, welcher keinen der gewünschten Beträge ausspucken kann und daher wahrscheinlich leer ist. Erst beim vierten Automaten klappt es und wir nehmen Kurs auf Isinlivi, einem kleinen Kaff wo wir die Nacht vor den nächsten Ausflug verbringen wollen. Nach einer kleinen Fehlnavigation fahren wir zurück auf die wirklich schöne, lange und traumhaft kurvenreiche Bergstrasse und halten einige Male an, um die herrliche Aussicht zu geniessen.



Ab dem kleinen Bergstädtchen Sigchos fahren wir auf einer Naturstrasse durch dicken Nebel, nehmen eine Abzweigung und stehen plötzlich vor einer kleinen Barrikade.



Wir fragen uns, ob wir noch auf der richtigen Strasse sind und rollen die grössten Steine aus dem Weg. Gleich um die Ecke ist ein kleines Gehöft und der Bauer fragt uns, wohin wir denn mit unserem kleinen Gefährt noch fahren möchten. Nach Isinlivi sei es nicht grade der beste Weg, wir sollen doch kehren und ein Stück zurück bei einer Brücke der "Hauptstrasse" folgen. Obwohl wir schon einiges mit unserem Turbo-Chevy durchgemacht haben, folgen wir seinem Rat, kehren um und finden bei guter Sicht wirklich die etwas besser präparierte Schotterstrasse.


In Isinlivi angekommen finden wir Unterschlupf im einfachen Hostel Taita Cristobal, in welchem ausser uns nur noch eine coole Truppe französischer Studenten übernachtet. Das Nachtessen ist inbegriffen, wird von der Hausherrin frisch und unkompliziert zubereitet und wir essen sehr lecker zu sechst am gleichen Tisch. Es tut richtig gut, wieder Mal einen Abend in einer geselligen Runde zu verbringen und wir unterhalten uns über Musik (die zwei Jungs sind auch in einer Band) und kulturelle Eigenheiten unserer Länder.


Es ist hier in den Bergen so üblich, dass jeweils morgens die Sonne scheint und es etwa mitten im Nachmittag zu regnen anfängt. Als Stephie vor dem Frühstück die Zimmertüre öffnet, entwischt ihr ein lautes "Wooow", denn wir sehen heute Morgen zum ersten Mal die freie Aussicht unserer Unterkunft in vollem Sonnenschein!



Topmotiviert schnappen wir uns nach dem Frühstück nur noch unsere Rucksäcke und düsen mit dem Rally-Chevy wieder runter ins Tal und rauf auf die gute Strasse. Trotzdem wir ein wenig unter Zeitdruck stehen, müssen wir auch hier wieder einige Male anhalten und die Schönheit der Landschaft aufsaugen.



Darauf folgt eine weitere Fahrt auf einer perfekten Rennstrecke, welche an wenigen Stellen nur von einigen kleinen Steinschlägen und Erdrutschen beeinträchtigt wird. Grösstenteils cruisen wir entspannt um anmutsvolle Kurven in atemberaubender Landschaft.



Okay, Bremsbereitschaft macht auch hier Sinn, denn so ein Erdrutsch kann durchaus anstatt auf die Strasse auch unter der Strasse sein. Da muss man schon etwas aufpassen, aus diesem Schlagloch z.B. kommt man so einfach nicht mehr raus:



Die inzwischen erreichte Höhe macht sich auch bei unserem Auto wieder bemerkbar, er jault und stöhnt bei jedem Gangwechsel und quält sich den Berg hinauf. Was heisst hier Berg, wir fahren auf den Vulkan Quilotoa mit seiner mit Wasser gefüllten Caldera auf 3'914m. Es war uns bereits früh klar, dass dieser Ausflug bei gutem Wetter eines unserer Highlights wird, doch was uns hier erwartet haut uns regelrecht um!


Kaum zu glauben, dass die Lavaströme seines letzten grossen Ausbruchs um das Jahr 1280 bis zum über 200km entfernten Pazifik reichten! Wir beide sind nahezu sprachlos und absolut fasziniert von diesem epischen Ort und wandern hinunter zur Laguna Quilotoa.



Unten angekommen realisiert auch Stephie, dass wir den ganzen Weg auch wieder hoch laufen müssen 😄 Zuerst mieten wir aber noch ein Kanu und paddeln auf dem Kratersee.



Auf dem Weg nach oben treffen wir José, einen Touristenführer, welcher uns von einem weiteren Aussichtspunkt erzählt. Während wir da stehen und miteinander reden, scheint die Sonne für einen kurzen Moment auf den See und lässt in türkis leuchten.



Wir nehmen den Tipp von José an und machen uns auf den Weg zum Aussichtspunkt fernab der Touristen, wobei wir uns in keiner Weise beschweren dürfen! Zusammengerechnet haben wir vielleicht auf dem gesamten Ausflug 25 weitere Menschen gesehen und finden das eigentlich voll okay 😊


Auf dem Weg zum Mirador de cristal Shalala fahren wir durch eine kleine Gemeinde von Bergbauern, welche hier noch vermehrt in mühsamer Handarbeit ihre Felder bewirtschaften. So sehen wir zum Beispiel eine Familie, welche zu dritt am Säen ist; einer lockert den Boden mit einer Hacke, der Zweite bohrt mit einem Pfahl Löcher in den Boden und die Mamma wirft in jedes dieser Löcher einen Samen. Zeitlich neigt sich der Tag zu Ende und nicht nur die Hirten treiben ihre Schafe von den Feldern zu den Stalleinrichtungen, es scheint als würde jeder seine Tiere von den Fressplätzen nach Hause bringen.


Am Aussichtspunkt angekommen erhaschen wir noch einige eindrucksvolle Blicke auf die Laguna aus einer anderen Perspektive, doch der Weg dahin war genauso ein Highlight.



Genauso wie der Weg, der uns wieder runter ins tiefer gelegene Tal und zur Panamericana führt. Wir sind zurück auf der perfekt präparierten Strasse, welche uns zuerst noch eine Weile über das Hochplateau zwischen Quilotoa und Riobamba führt. Und ja, es sind langsam echt viele Fotos in diesem Blogeintrag, doch dieser Tag ist so reich an unglaublich schönen Eindrücken welche wir mit Worten gar nicht wirklich beschreiben können, luda:



Dieser Tag war echt nahezu perfekt! Ihr fragt euch sicher, weshalb nur nahezu... naja, wir möchten ehrlich sein, unsere Reise ist nicht immer nur ein Zuckerschlecken. Es gehört eine gewaltige Portion an gewissenhafter Planung dazu, und dabei haben wir bei der Unterkunft heute etwas verk...ehrt gemacht. Ihr wisst ja, normalerweise macht Stephie die Buchungen der Hotels und dies meistens kurz vor Ankunft, da wir nie wissen, wie weit unser Rally-Chevy kommt. Doch für heute hat dies ausnahmsweise Marco übernommen während Stephie ein Stück gefahren ist.


Der letzte Teil der Fahrt nach Ambato in der Dämmerung und im Feierabendverkehr über den Highway und mitten in die Stadt war echt ermüdend und wir sind erst nach 19:00 Uhr angekommen. Das Hotel entspricht nicht ganz dem, was wir bisher erlebt haben und es macht uns gar nicht an, in der verstopften und etwas streng riechenden Stadt noch ein Restaurant zu suchen. Doch auch die Bestellung einer Pizza ist nicht ganz einfach und sogar die Rezeptionistin, welche nicht ein Wort Englisch spricht, hat ihre Mühe und braucht dafür länger als eine Viertelstunde. Schlussendlich hat es zwar dann geklappt (und das tut es wirklich immer), doch so kann es sein, dass unser nahezu perfekter Tag auch mal mit einer mittelmässig guten Familienpizza im Bett endet.



Nicht dass und dies die Laune verderben würde, wir sind nach wie vor total happy und werden diesen eindrücklichen Tag wohl nie im Leben vergessen! Morgen geht es dann auch bereits auf den nächsten Vulkan, doch auf die Geschichte müsst ihr euch noch etwas gedulden 😉


Hasta luego,

Stephie & Marco


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