Von La Fortuna und dem Arenal Vulkan geht es einmal quer durch das Land an die Karibikküste. Unser nächstes Ziel ist der Hafen von La Pavona, wo wir unser Auto stehen lassen und per Flusstaxi Kurs auf Tortuguero nehmen wollen. Der Weg dahin führt durch landwirtschaftliche Gebiete, wir passieren viele Ananas-, Zuckerrohr- und Maniok-Felder sowie unzählbare von Palmen gesäumte Kuhweiden. Je näher wir unserem Ziel kommen, desto mehr Bananenplantagen finden wir am Rande der Strasse und desto mehr spüren wir die karibischen Einflüsse auf Mensch und Landschaft.
La Pavona liegt quasi am Ende einer Sackgasse. Nachdem wir kurz vor dem Hafen ein letztes mal warten mussten, um die Bananen-Pflücker auf ihren seilbahnartigen Gondeln über die Strasse zu lassen, werden wir am Parkplatz sehr nett empfangen. Wir sind ein weiteres mal froh, dass Marco inzwischen etwas Spanisch versteht und sich mit den Parkeinweisern verständigen kann. Es macht sich auch bezahlt, dass wir genügend Reservezeit eingerechnet haben und wir kaufen 20 Minuten vor Abfahrt unser Ticket fürs Flusstaxi. Dieses liegt am sogenannten "Hafen" auf einer Sandbank zwischen weiteren Booten mit extra wenig Tiefgang, welche mit verschiedensten Gütern aus normalen PWs (Bananen, Kühlboxen, Getränke etc.) beladen werden.
Einer der Parkeinweiser übernimmt den Aussenborder vom Boot und ist von jetzt an unser Kapitän. Schnell wird uns bewusst, dass er seinen Job hervorragend macht und den Zubringerkanal nach Tortuguero echt gut kennt! Anders als im Rest des Landes ist es zu dieser Zeit des Jahres an der Karibikküste sehr trocken und der Pegelstand des Flusses tief, somit muss er durch seichtes Wasser zwischen Sandbänken manövrieren und ab und zu sogar den Motor aus dem Wasser heben, damit wir nicht stecken bleiben!
Abgesehen von unserer Bewunderung für den Kapitän ist die Flussfahrt an sich ein absolutes Highlight! Wir bezahlten pro Person unter CHF 5.- für beide Wege, doch diese etwas 75 Minütige Fahrt hat es in sich. Kurz vor dem Nationalpark sehen wir bereits schon einige Flussschildkröten, Kaimane und diverse Reiher. Die Natur ist ein wahrer Traum und wir geniessen die Fahrt in vollen Zügen!
Unser Guesthouse hat Stephie wie immer übers Internet gebucht und wir hatten im Vorfeld Kontakt mit unserer Gastgeberin, die sich als Ladina vorstellte. Ihr Name liess Marco darauf schliessen, dass es sich fast um eine gebürtige Bündnerin handeln musste. So war es dann auch und Ladina erwartet uns am Hafen von Tortuguero. Wir laden unserer Rücksäcke vom Boot und machen uns auf den Weg zur Unterkunft, welche im kleinen und autofreien Dorf schnell zu erreichen ist. Doch zuerst halten wir noch am grossen Mandelbaum mitten auf dem Dorfplatz, denn da hat es sich eine grosse Papageienfamilie gemütlich gemacht. Ladina erzählt uns, wie sie sich in den Ort Tortuguero und ihren Mann Lolo verliebt hat. Sie haben sich nach zwei gemeinsamen Jahren in der Schweiz für ein Leben hier entschieden und sind inzwischen Eltern von zwei herzigen Jungs.
Wir können uns im Anschluss kaum im Casa Pelican einrichten, da hören wir die Papageien erneut aus nächster Nähe krächzen und können sie von der hauseigenen Dachterrasse bestens beobachten. Diese grünen Geschöpfe mit farbigen Flügeln und Schwanzfedern sind vor allem in der Luft äusserst majestätische Wesen, die ihr ganzes Leben in Monogamie verbringen. Kurze Zeit später entdecken wir einen riesengrossen Leguan auf dem Baum im Nachbarsgarten und freuen uns bei einem typisch karibischen Abendessen während dem Sonnenuntergang hinter der Laguna von Tortuguero über die vielen Tiersichtungen des Tages.
Am Donnerstag geniessen wir den Flow der Karibik, entdecken das Dorf und chillen über die heisse Mittagszeit im Schatten.
Erst am Abend steht das nächste Highlight auf dem Programm und wir treffen unseren Guide Angelo kurz nach 09:00 Uhr vor der Unterkunft. Die Schildkröten lassen uns nicht mehr los und wir möchten neben den Olive Ridley Sea Turtles von Ostional noch deren grossen Verwandten, die Green Sea Turtles, sehen. Apropos Ostional, hier noch ein Fun Fact: Genau heute haben sie die grosse Arribada auf Ostional bestätigt. Doch um die geht es jetzt nicht, Angelo führt uns - bewaffnet mit nichts als einer Taschenlampe - immer weiter durch die stockdunkle Nacht. Ungewiss ob wir eine Schildkröte zu Gesicht bekommen, warten wir kurz auf Bescheid der Spotter am Strand und lassen Angelo spannende Fakten über Schildkröten erzählen.
Er fängt bei den Babys an, die hier geschlüpft sind. Nur eine von 100 Schildkröten überlebt und erreicht das geschlechtsreife Alter nach 20-25 Jahren. Sie verteilen sich bis dahin im ganzen karibischen Meer und die Weibchen kommen genau an den gleichen Strand zurück, wo sie selbst das Licht der Welt erblickten. Dabei nimmt man an, dass sie über die Mineralienvorkommen im Sand, die Sterne und sogar den Mond navigieren! Doch er erzählt uns auch traurige Fakten, denn der globale Klimawandel wirkt sich direkt auf den Schildkrötenbestand aus. Die Umgebungstemperatur der Eier während der Brutzeit hat Einfluss auf das Geschlecht der Kleinen; steigt diese an so bilden sich mehr Weibchen. Aufgrund der Erderwärmung befürchtet man, dass männliche Schildkröten bald aussterben könnten, denn es ist ungewiss ob die Evolution diesen rapiden Temperaturanstieg meistert.
Angelo kriegt eine WhatsApp-Nachricht und wir laufen weiter vom Dorf weg, bis uns ein anderer Guide entgegenkommt und meint, wir sollen wieder zurücklaufen. Angelo schaut unentwegt auf sein Handy und irgendwann zweigen wir ab Richtung Strand. Er meint, vielleicht haben wir Glück und sehen noch, wie eine zurück ins Meer geht. Und tatsächlich werden wir einige Minuten später Zeugen, wie eine grüne Meeresschildkröte mit letzter Kraft zurück ins Meer kriecht! Dieses Tier ist nahezu 1.5 m lang und somit fast 190 kg schwer, wir haben Hühnerhaut als sie kurz vor dem Wasser den Kopf einmal zu uns dreht und uns im roten Licht der speziellen Taschenlampe von Angelo anschaut.
Das soll es aber nicht gewesen sein, etwas weiter befinden sich zwei weitere Exemplare nahezu nebeneinander. Ein Weibchen ist mit der Tarnung ihres Nestes beschäftigt und ein weiteres hebt ihr Loch für die Eiablage gerade aus. Sobald letztere fertig ist und mit der Eiablage startet, fällt sie in eine Trance. Erst dann dürfen wir näher ran und erleben hautnah mit, wie ein Ei nach dem anderen in die Grube unter dem riesigen Panzer fällt. Wir sind noch gar nicht fertig mit stauen, da kommt eine dritte Schildkrötendame aus dem Wasser und kriecht direkt zu uns. Auf Anweisung von Angelo bleiben wir vor der aktiven Schildkröte stehen, damit die dritte nicht aus Versehen in genau dasselbe Nest läuft. Wir verstehen die Welt nicht mehr als wir zwischen drei über 1 m grossen Schildkröten stehen und die neu Angekommene uns fast über die Füsse kriecht. Wir wissen nicht recht, wohin wir schauen sollen, denn alle drei Damen sorgen je für eine absolut aufregende Show! Auf jeden Fall werden wir diese Augenblicke nie mehr vergessen und sind dankbar, dass Angelo für diesen Job lebt und uns das beste Erlebnis bieten wollte. Wir durften die Tiere zu ihrem Wohl nicht fotografieren, konnten dafür jede Sekunde geniessen und erhalten am Ende der Tour noch diesen Sticker:
Nachdem wir überglücklich eingeschlafen sind, müssen wir am Freitag bereits wieder früh auf. Norton wartet am Morgen in seinem Kanu und nimmt uns mit auf eine Tour durch die Kanäle des Tortuguero-Nationalparks. Wir helfen ihm natürlich dabei und rudern tatkräftig mit. Je weiter wir vom Dorf weg kommen, desto wilder und idyllischer wird unsere Umgebung. Auf der Tour sehen wir so viele Tiere wie noch nie in Costa Rica:
- Mehrere Kaimane und ein Krokodil
- Viele Flussschildkröten (Bauchstreifen-Erdschildkröte)
- Eine Vielzahl an Reiher (Schmuk-, Blau-, Krabben- und Nacktkehlreiher)
- Brüllaffen und einen Klammeraffen beim Essen von Kakaobohnen
- Grosse Spinnen, darunter eine Seidenspinne
- Viele Echsen wie den Stirnlappenbasilisken und den grünen Leguan
- Bunte Libellen und viele weitere Insekten
- Einen Tukan (beim Davonfliegen)
Zurück an Land brauchen wir zuerst ein üppiges Frühstück und geniessen unseren letzten Nachmittag mit einem Bad im Meer. Wir packen unsere Rücksäcke für den nächsten Flug und nehmen am Samstagmorgen eines der ersten Boote nach La Pavona. Am Hafen herrscht früh schon reges Treiben und ein junger Mann, der eine Maske mit einem grossen Hanfblatt darauf trägt, weist und ins richtige Boot und verfrachtet unsere Rucksäcke im Heck. Und wiederum ist er derjenige, der das Flusstaxi auch fährt und gibt von der ersten Sekunde an Vollgas.
Dummerweise hatten wir noch Orangensaft sowie ein Bier im Kühlschrank und werden keine Möglichkeit mehr haben, diese zwei Getränke zu kühlen. Also müssen sie schnell getrunken werden, das letzte mal als Marco so früh ein Bier hatte muss an einem Festival gewesen sein 😎
Doch das musste wohl so sein, denn auf etwa halbem Weg fährt unser Kapitän über irgendwas drüber. Ein Tico lacht und meint nur trocken "gran cocodrilo", doch als wir in der nächsten Kurve fast kentern vergeht auch ihm das Lachen. Unser Kiffer-Kapitän macht halt, geht nach hinten und hantiert am Motor. Doch dieser hört nach dem Schlag nicht mehr auf zu zicken und wir fahren mit halber Geschwindigkeit und einem riesen Lärm weiter. Selbst unsere Adrenalin-Stephie ist froh als wir den sandigen Boden von La Pavona wieder unter den Füssen spüren.
Das erste Mal in unseren beiden Leben fahren wir an den Flughafen, um direkt vor Ort den Weiterflug zu kaufen. Die Wellen-Vorhersagen für Panamá sind extrem gut, da wollen wir so schnell wie möglich zum Surfen hin! Leider ist es auch das erste Flugticket, welches die junge und adrett gekleidete Dame am Schalter direkt verkauft, was sie jedoch nur kann wenn wir ein Ausreiseticket vorweisen können oder dieses gleich dazu kaufen. Wir dachten eher an ein One-Way-Ticket da wir noch nicht wirklich einen Plan haben, wohin es nach Panamá gehen soll. Und weil es ihr nur möglich ist, dieses nach San Jose zurück auszustellen, brechen wir ab und besorgen uns online ein beliebiges Ticket in ein beliebiges Land zu einem beliebigen Datum (innerhalb von 90 Tagen, sonst gibt es Ärger ohne das Visum für Panamá). Dazu kommt noch, dass Panamá einen QR-Code wegen Covid-19 für die Einreise voraussetzt. Um diesen Code zu bekommen, müssen wir ein endlos schlecht digitalisiertes und unzumutbar langes Online-Formular ausfüllen, welches nur auf Spanisch funktioniert. Wir verpassen aufgrund des hohen Aufwandes und vielen unerwartet anstehenden Entscheidungen den nächsten Flug, doch es klappt am Ende des Tages und wir sitzen am Abend in der letzten Maschine nach Panamá!
Im Flugzeug müssen wir nur nochmal ein sehr ähnliches Formular für die allgemeine Einreise ausfüllen, doch dieses Mal auf Papier. Wir kennen nun alle Angaben, somit ist das schnell gemacht. Und schon 45 Minuten später sehen wir die Skyline von Panamá City!
Bis bald und Pura Vida
Stephie & Marco
Hallo Weltenbumler
Als erstes muss ich Marco nochmals danken, dass er sich doch entschlossen hat, einen Blog über eure Reise zu schreiben. Es wäre wirklich schade, wenn wir eure Abenteuer und die schönen Fotos verpasst hätten.
Auch auf eurer Reise fasziniert die Natur mit Fauna und Flora erneut. Da bleibt uns nur die Spannung, was ihr als nächstes für Überraschungen erlebt. LG Fred