Die Reise von Medellín nach Cartagena gelingt uns echt unkompliziert, wir können in aller Ruhe frühstücken, unsere Rucksäcke packen und machen uns rechtzeitig auf zum Flughafen. So kommen wir entspannt am frühen Abend in der Küstenstadt an, wo uns die heisse und feuchte Luft der Karibik wie eine warme Wolldecke aus dem Steamer einhüllt.
Es vergeht keine Stunde zwischen der Landung in Cartagena und dem Check-In im Life is Good Hostel inmitten des Altstadtviertels Getsemani. Dieser Teil der Hafenstadt ist für seine vielen bunten Häuser sowie abwechslungsreiche und erstklassige Restaurants bekannt. Das kosten wir umgehend aus und lassen uns gleich um die Ecke von den lokalen Kochkünsten überzeugen, bevor wir nach sehr langer Zeit wieder einmal dankbar um die Klimaanlage in unserem Zimmer sind.
Man hätte es ja ahnen können, doch wir zwei studieren am folgenden Tag nicht sehr viel. Es ist bereits kurz vor Mittag, als wir unser Hostel für die Erkundungstour verlassen - und gefühlt 60°C in den Strassen Cartagenas! Daher müssen wir nach nur 150m Schlendern in der ersten schattigen Beiz eine Pause machen und uns mit kalten Getränken erfrischen. Da diese jedoch keine fünf Minuten kühl bleiben, finden wir uns kurz darauf erneut in den sengend heissen Gassen von Getsemani wieder.
Wunderschön, doch viel zu heiss! Wir vertagen die Erkundungstour und fahren auf dem kürzesten Weg zur Playa Castillo Grande, einem ruhigen und familiären Strand, wo wir direkt einmal ins Wasser hüpfen. Die gewünschte Abkühlung finden wir auch hier nicht, das Wasser ist wärmer als im Kinderbecken der Wolhuser Badi und der Strand ist zwar wirklich ruhig, dafür gibt es weder Bars noch Restaurants.
Wir laufen einmal auf die andere Seite und verbringen den Rest des Nachmittags an der Playa De Bocagrande, wo es kühles Bier und Cola gibt. Neben den Restaurants kommen wir in den Genuss eines Überflusses an Angeboten und Dienstleistungen: Getränke, Grilladen, Süssigkeiten, Massagen, Sonnenbrillen, Selfie-Sticks, Popcorn, Eis, Ketten, Rap- und Akkordeondarbietungen, Souvenirs, Hüte... die Verkäufer stehen praktisch Schlange, um uns im Minutentakt etwas anzubieten. Teilweise so hartnäckig, dass es uns fast zu viel wird (klar, die Schweizer wieder, da ist es zu langweilig, hier geht zu viel, mimimi... 😄).
Könnt ihr euch noch an Aimee und Jack vom Inka Trail erinnern? Wir hatten echt eine tolle Zeit zusammen in und rund um Cusco. Wir fanden es etwas schade, dass die zwei dann in Medellín ankommen sollten, als wir den Ort gerade wieder verliessen. Doch den beiden wurde die Einreise verweigert da sie kein Ticket zur Ausreise aus Kolumbien hatten. Das hatten wir zwar auch nicht, doch ihr hättet sehen sollen, wie Stephie den Herrn am Check-In in Lima um den Finger gewickelt hat 😄
Nach diesem kleinen Zwischenfall siegte Aimee und Jacks verlangen nach Sonnenschein, Strand und Karibik. Sie lassen Medellín aus und sind nun ebenfalls in Cartagena - was uns richtig freut! Am Freitagabend gehen wir gemeinsam auf die Piste und stürzen uns in das Nachtleben von Cartagena. Die Strassen sind voller fröhlicher Menschen, inmitten der guten Laune würde niemand denken, dass der Rest der Welt mit einer schlimmen Pandemie zu kämpfen hat. Hier wird lediglich ein QR-Code angeschaut, um Lokale zu betreten - und ja, es kann praktisch überall irgendein QR-Code sein. Ob digital oder auf Papier, die Kellner werfen einen kurzen Blick darauf, lachen und heissen uns überall herzlich willkommen.
Wir geniessen diese Unbeschwertheit bei einigen Drinks und freuen uns über diese erste Überraschung. Doch die zweite folgt unmittelbar!
Nach einem Organisationsmarathon für die kommenden Tage geniessen wir ein Bad im Whirlpool auf dem Dach unseres Hostels. Dabei stören uns plötzlich zwei bekannte Gesichter: Von all den unzähligen Kochkursen in Cartagena haben Aimee und Jack genau jenen unseres Hostels gewählt und brutzeln in der OpenAir-Küche den Fisch des Tages und Patacones. Wir werden umgehend mit eingeladen, müssen jedoch ablehnen. Denn wir wissen, dass Marcos Papa Toni heute in Cartagena landet - und dieser ist im Glauben, wir seien noch immer in Perú!
Frisch geduscht machen wir uns kurz darauf auf den Weg zum Flughafen. Es wird gerade dunkel und wir müssen uns noch einen Moment gedulden, bis Toni durch die glasige Schiebtür in die schwüle Nachtluft tritt. Er erkennt uns sofort und macht vor lauter Überraschung direkt einen Schritt zurück, mit uns hat er definitiv nicht gerechnet 😀
Toni wird von einem Mitarbeiter seiner Sprachschule vor Ort abgeholt und zu seiner Gastfamilie gebracht. Dem erklären wir die Situation und dürfen dann bis zu Tonis Zuhause für die nächsten Tage mitfahren. Nicht weit von unserem Hostel erwartet uns inmitten von Wolkenkratzern eine kleine Siedlung aus Reiheneinfamilienhäusern, wo uns die Hausherrin Nora mit ihrem Sohn Juan Pablo mit offenen Armen empfängt. Auch ihr erklären wir kurz die Situation und dürfen dann mit Toni einen kleinen Rundgang durch das Haus machen. Dabei lernen wir auch den Hund und die Katze der Familie kennen, wobei das Büsi noch sehr jung ist und Stephie in einen Zustand des ständigen Jööö-Sagens bringt.
Wir schnappen uns Toni und fahren gemeinsam zum Nachtessen, wo sich die zwei Gallikers direkt eine Flasche edlen Wein gönnen. Am nächsten Morgen treffen wir ihn beim Frühstück in unserem Hostel wieder und machen (etwas früher als auch schon) dann zusammen die Altstadt Cartagenas unsicher. Wir behaupten, diese Stadt repräsentiert den Inbegriff "malerisch"! Praktisch alle Häuser entlang der gesamten Strassen erscheinen farbenfroh leuchtend, hinter jeder Ecke versteckt sich eine neue bunte Gasse gesäumt mit Dekoration und Pflanzen. Selbst die Mauern vor den leeren Grundstücken sind mit aussagekräftigen Graffitis besprayt, welche häufig eine Botschaft vermitteln.
Je näher wir dem Meer kommen, desto stärker und kühler weht die frische Brise vom Ozean. Heute findet eine politische Abstimmung statt, weshalb die Restaurants, Bars und Supermärkte kein Alkohol verkaufen dürfen. Denn die heissblütigen Bewohner von Cartagena und Umgebung könnten dann bei einem ihrer Ansicht nach faschen Ergebnis ihre Missgunst somit vielleicht eher unüberlegt kundtun. Doch die Strassenverkäufer interessiert das nicht, daher geniessen wir entgegen den Vorschriften ein Bierchen auf den Mauern des alten Forts mit bester Aussiecht auf die Skyline der Bocagrande.
Nach langer Suche und vielen Fehlschlägen gelingt es uns auch, Toni mit Bargeld und einer Sim-Karte auszustatten. Da heute Sonntag ist und viele Läden am späten Nachmittag geschlossen haben, kaufen wir auch diese bei einer Strassenverkäuferin. Aufladen muss man sie jedoch bei einem weiteren Verkäufer auf der anderen Strassenseite, ihre kleine Tochter schaut uns die ganze Zeit mit grossen Augen an. Verständigen können wir uns nicht wirklich, doch nach einigen Minuten schaffen wir die Einrichtung und Toni ist online.
Nachdem alles erledigt ist, gibt es noch einen Snack und wir gehen ins Hostel, um für den nächsten Tag zu packen.
Am nächsten Morgen werden wir in Cartagena abgeholt und fahren mit zwei Jungs und ihrem Auto nach Barú, einem kleinen Dorf ganz an der Spitze der gleichnamigen Halbinsel. Ein Fischerboot bringt uns durch Mangroven auf das offene Meer und schlussendlich zu unserem Ziel, der Isla Grande der Inselgruppe Islas del Rosario. Die Namensgebung der Isla Grande macht nur bedingt Sinn; sie ist zwar die Grösste der Rosario Inseln, mit einer Gesamtfläche von nicht mal zwei Quadratkilometer und ungefähr 750 Einwohner jedoch sehr überschaubar. Autos und Strassen gibt es hier nicht, einfache Fusspfade verbinden die wenigen schmucken Hotelanlagen mit dem kleinen Dorf im Zentrum der Insel.
Für die Infrastruktur ist jeder selbst verantwortlich, wer Strom will hat einen Generator. Das Abwasser wird aufgefangen und ab und zu vom Pump-Schiff abgesaugt. Obwohl die Aktion vergleichbar mit dem Service eines Toitois an mehrtägigen OpenAirs ist, fesselt sie technisch Interessierte auf diese Weise etwas mehr. Der laute Dieselmotor des alten Kahns hört man schon lange, bevor man ihn überhaupt zu sehen bekommt. Einige Meter vor der Küste springt dann ein Matrose mit einem dicken Schlauch ins Wasser, geht damit an Land und läuft quer durch den Garten zum Schmutzwassertank. Der alte Motor des Bootes jault dann noch einmal gequält auf, als die Kraft vom Leerlauf auf die Pumpe umgeschaltet wird.
Ups, da bin ich wohl etwas in die Technik abgeschweift... eigentlich sitzen wir noch immer im kleinen Fischerboot, welches auf eine türkis leuchtende Bucht der Isla Grande zusteuert. Ins Secreto Hostel einchecken können wir direkt am Steg, geniessen als erstes einen Welcome-Drink und begrüssen zwei alte Bekannte. Aimee und Jack haben beim Kochkurs in unserem Hostel dieselbe Empfehlung erhalten wie wir und chillen bereits im Schatten der Bäume am Pool der Anlage. Den Rest des Tages geniessen wir das süsse Nichtstun, vergnügen uns auf der Wasserrutsche und suchen die Ruhe auf unserer eigenen Terrasse.
Am zweiten Tag gehen wir mit einer Gruppe Schnorcheln, wobei wir nicht nur das Riff und einige Fische erspähen, sondern sogar noch ein Wrack eines versunkenen Flugzeuges. Erzählungen nach soll es im Auftrag von Pablo Escobar unterwegs gewesen sein, als es unweit von seiner Ferienvilla abgestürzt und auf Grund gelaufen ist.
Kurz vor Sonnenuntergang brechen wir auf zu einem Doppeldate mit den Engländern, paddeln mit dem Kanu durch Kanäle in den Mangroven und geschützten Lagunen bis zum offenen Meer. Da verharren wir noch ein wenig und geniessen die romantische Stimmung in unserem kleinen gelben Kanu.
Den letzten vollen Tag verbringen wir am Bendita Beach auf einer der kleinsten Inseln der Rosarios. Man braucht keine fünf Minuten, um einmal um die winzige Insel zu laufen, auf welcher grosszügig verteilt Liegestühle und -Betten im Schatten der Bäume und Palmen auf uns warten. Da machen wir es uns gemütlich und faulenzen den ganzen Tag!
Wir sind erstaunt, wie viele Tiere hier auf engstem Raum leben! Okay, die meisten sind zwar Vögel, aber der kleinen Affenfamilie scheint es hier richtig gut zu gehen.
Am Abend bleibt uns noch Zeit für einen Ausflug ins kleine und einzige Dorf der Insel. Die einfach gebauten Häuschen und Hütten werden von den Lautsprechern einiger Dorfbewohner erschüttert, mitten unter der Woche fahren sie mit richtig grossen Boxen und übertrieben lauter Musik an mehreren Standorten auf und treffen sich so zum (mehr oder weniger) gemütlichen Zusammensein.
Am Nachmittag des letzten Tages laufen wir zum benachbarten Hostel, wo uns ein Schiff abholen und direkt nach Cartagena bringen soll. Fast eine Stunde zu spät erscheint das besagte Boot sichtlich vollgeladen mit Passagieren am Steg, was uns vorerst nicht besonders stört da wir uns im kristallklaren Wasser noch einmal abkühlen können.
Neben uns warten noch weitere Gäste am Steg, was die Herren Kapitän und Matrose des Bootes offensichtlich aus der Fassung bringt. Die Rechnung geht nicht auf und aufgrund eines Kommunikationsfehlers der Transportfirma sind unsere Namen nicht hinterlegt. Hier kommt die wohl unschönste Überraschung: In einer dreisten Aktion löst der Matrose das Seil, gibt dem Boot einen Schubs und noch ehe wir realisieren, was abgeht, nimmt das Boot ohne uns Kurs auf Cartagena.
Wir bleiben verwirrt zurück und suchen Hilfe beim Manager des El Hamaquero Hostals. Andres und seine Partnerin kennen die Inhaberin vom Transportunternehmen und legen sich richtig ins Zeug, um uns einen alternativen Heimtransport zu organisieren. Schlussendlich nehmen wir den gleichen Weg, wie wir hergekommen sind, werden nach einer weiteren Stunde warten am Steg abgeholt und über erschreckend hohe Wellen auf dem direkten Weg zum Festland gebracht. Von da geht es wieder mit privatem Personenwagen an den Stadtrand von Cartagena, wo wir auf ein offizielles Taxi umsteigen müssen, da unser Fahrer mit seinem Auto nicht bis in die Innenstadt darf.
Genervt vom Aufwand geben wir das Feedback direkt an das Transportunternehmen. Mary, die Inhaberin, schreibt uns, wir sollen Gott danken, dass wir sicher auf dem Festland sind. Das Schiff, welches uns ursprünglich innerhalb von 40 Minuten in die Stadt bringen sollte, sein nach fast drei Stunden noch nicht angekommen und der Wellengang sei aktuell unberechenbar stark. Trotz unseres Umweges kommen wir zeitgleich in Cartagena und sind dann doch etwas froh, dass unser Weg zwar lang, aber im Grossen und Ganzen verhältnismässig komfortabel war.
Zurück im Life is Good Hostel besprechen wir unsere Optionen und entscheiden, auf den geplanten Trip nach Santa Marta und dem Tayrona Nationalpark zu verzichten. Unsere Reise neigt sich dem Ende zu und wir merken, wie uns die Reisemüdigkeit etwas zu schaffen macht. In den verbleibenden zweieinhalb Wochen möchten wir einfach nur noch Ferien machen, surfen und entspannen. Wir gehen noch einmal mit Toni auf die Piste, lernen einige seiner Schulkameraden kennen und bestaunen die aufwändige und kitschige Weihnachtsbeleuchtung, welche überall in der Stadt die warme Luft der Nacht zum Strahlen bringt.
In rekordverdächtiger Zeit folgen wir unserer spontanen Eingebung, organisieren innerhalb eines Tages unseren ersten Covid-Test der gesamten Reise, welchen wir für die Einreise in die nächste Destination benötigen, buchen die Flüge und ein Shuttle zum Hotel sowie alle nötigen Unterlagen zur Einreise. Packen war schon immer Stephies Stärke, doch inzwischen hat es auch Marco im Griff und wir verstauen das wachsende Inventar ein weiteres Mal. Es ging so schnell, dass wir uns fast ein wenig wie zwei Verbrecher auf der Flucht vorkommen 😄
Nach dem nationalen Check-In am kleinen Flughafen von Cartagena laufen wir unkoordiniert einmal quer über das Rollfeld. Marco freut sich wie ein kleines Kind über seinen Fensterplatz als er merkt, dass der Flieger eine Schleife machen muss, welche von seinem Fenster aus einen perfekten letzten Blick auf die umwerfende Karibikstadt frei gibt.
Mit der Hauptstadt Bogota besuchen wir noch eine dritte kolumbianische Destination - wobei nur sehr kurz. Wir könnten zwar theoretisch einen kleinen Ausflug machen, verbringen die Umsteigezeit von fünf Stunden bis zum Abflug jedoch direkt am Flughafen. Wir mussten schliesslich unser Gepäck komplett neu einchecken. Dann startet auch schon der nächste und bis zur Heimreise letzte Flug mit Ziel Costa Rica 😎
Volver a pura vida,
Stephie & Marco
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